Jenny Rieger und Alex Müller leiten das Mountain Retreat Center in der Bergwelt des Chiemgaus. Sie sind nicht nur beruflich ein Team. Im Gespräch erzählen sie, wie sie in ihrem umgebauten Bus die Welt und sich selbst entdeckten, warum Yoga viel mehr als Geturne auf der Matte ist und von der Leidenschaft für vegane Küche.
Ihr seid viel gereist. Über welche Wege hat es euch in das Mountain Retreat Center verschlagen?
Jenny: Oh, das ist eine lange Geschichte. Nach meinem Abi bin ich gleich mit einem One-Way-Ticket nach Amerika geflogen. Das hat die Reiselust in mir so richtig geweckt. Die Mischung aus Abenteuer, Freiheit und tollen Begegnungen gepaart mit immer neuen Möglichkeiten, mich selbst neu zu entdecken und über meine Grenzen hinauszuwachsen, haben mich die Welt und mich selbst mit völlig neuen Augen sehen lassen. Thailand, Bali, Dublin, Portugal oder mit dem Bus in Spanien. Immer wieder warten neue Abenteuer, eine neue Art, Freiheit zu leben und schöne Momente, die das Herz erwärmen. Mit Alex habe ich einen Partner gefunden, der genau diese Leidenschaft mit mir teilt. Jemand der jede irrwitzige Idee, die in meinem Kopf kommt, unterstützt und mit Begeisterung zum Leben bringt. Wir adoptieren einen Hund aus der Tötungsstation? Klar, warum nicht. Ohne festen Wohnsitz? Na logo. Und vergrößern unsere Familie um noch zwei Fellnasen, die ein Zuhause brauchen? Yes! Kaufen einen Bus und bauen ihn zu unserem Zuhause um? Los geht’s! Letzten Winter wollten wir dann das Abenteuer wagen, den Winter im Warmen zu verbringen. Ziel: Griechenland. Gelandet sind wir in Spanien am Strand. Und so schön es dort war, wurde unser Wunsch, wieder Gäste willkommen zu heißen und zu verwöhnen immer größer. Wir träumen schon seit wir uns kennen von einem Platz, an dem wir uns entfalten können. Verrückt, wie das Leben uns genau das über die lustigsten Umwege vor die Füße gelegt hat.
Alex: Hätte mir vor 15 Jahren jemand gesagt, dass ich irgendwann ein Yoga Retreat Center leite, hätte ich ihn vermutlich ausgelacht. Damals waren die Straßen von Berlin mein Zuhause. Goldkettchen, Baggies, das volle Programm. Mit 17 war es dann sehr turbulent in meinem Leben und ich entschied mich, nach Österreich zu gehen und dort Kochen zu lernen. Auch das war anfangs kein einfacher Weg, aber sehr schnell hat mich die vegan/vegetarische Küche in der kleinen Familienpension am Ende der Straße in der Steiermark gepackt. Ich glaube die Stammgäste lachen noch heute darüber, wie ich mit Baggies und Truckercap etc. mit Heidi-Milchkanne beim steinsteirischen Nachbarn die Milch abgeholt habe. Nach meiner bestandenen Kochausbildung hat es mich in die Welt gezogen. So bin ich dann im Chiemgau gelandet. Doch nicht so weit in die Welt, aber für mich doch eine ganz tolle, unverhoffte Chance. Innerhalb von wenigen Monaten durfte ich die Küche für ein großes Seminarhaus leiten. Ich als Jungspund noch fast grün hinter den Ohren. Der Traum zu reisen steckte trotzdem noch in mir. Als Jenny dann im selben Seminarhaus gelandet ist – eigentlich um meinen Job zu übernehmen – ist der Funke übergeschlagen. Sie war so viel unterwegs und ich war ganz inspiriert auch endlich meine sieben Sachen zu packen und loszureisen. Es hat eine Weile gedauert – denn ich dachte sie wäre eh nicht an mir interessiert. Aber nach ein paar Monaten war klar, dass wir den Weg zusammen gehen wollten. Und so geht’s weiter. Step by step auf unserer gemeinsamen Reise. Mittlerweile mit unseren drei Wauzis (Anm.: die adoptierten Hunde) im Bus. Ein Highlight war für mich auch definitiv Spanien letzten Winter. Aber wie Jenny sagt, war da schon der Wunsch, wieder Gäste zu bekochen. Zufällig hat Jenny eine Stellenausschreibung gesehen und hat mich Bewerbungsmuffel unterstützt. So ging sie raus. Die eine Bewerbung. Und jetzt sind wir hier.
Angekommen in der Bergwelt des Chiemgaus: Wie waren der erste Eindruck und die ersten Begegnungen?
Jenny: Geplant war nur eine Kochstelle für Alex, denn der Mann braucht Menschen, die er bekochen kann, wie ein Künstler seine Farben und Leinwand braucht. Ich kenne niemanden der mit so viel Liebe, Kreativität und Leidenschaft kocht, wie er. Wir sind auf eine Stellenausschreibung von Indigourlaub gestoßen – eigentlich im Kleebauer Hof Retreat Center. Prompt schrieben wir die Bewerbung und nur wenige Stunden später stand der Termin für das Bewerbungsgespräch – online im Bus am Strand in Spanien… Da wir durch unser fahrendes Zuhause sehr flexibel sind, kam die Frage auf, ob Alex in Sachrang aushelfen könnte. Und so machten wir uns kaum angekommen aus Spanien wieder auf die Reise. Diesmal nur drei Stunden weiter in das schöne Chiemgau – wo unsere gemeinsame Reise vor vier Jahren gestartet hatte. Als wir im Mountain Retreat Center ankamen, hat mich das Haus gleich verzaubert. Mich überkam die Neugierde und schon beim Rundgang durchs Haus kam mir immer wieder der Gedanke: „Sowas könnte ich mir auch vorstellen.“ Die Atmosphäre war so schön ruhig, warm und egal aus welchem Fenster man schaut, jedes Mal wird man beschenkt mit einer immer neuen atemberaubenden Aussicht über die Berge und die grüne Landschaft. Lebendige Wälder, blauer Himmel und das kleine verschlafene Dorf unten im Tal. Das „bayrische Meer“, der Chiemsee gleich um die Ecke. Und dazu die Kirsche on top: der Spirit des Yoga durchströmt das ganze Haus. Schöner hätte ich es mir nicht träumen lassen.
Alex: Same, same.
Wir sind jedes Mal beeindruckt, wenn wir deine Menüs sehen, Alex. Deine vegetarisch-vegane Küche ist inspirierend. Was kochst du am liebsten?
Alex: Erstmal am liebsten komplett vegan (lacht). Beim Kochen geht es mir gar nicht in erster Linie um die Gerichte, sondern die Art und Weise wie ich kostbare Lebensmittel verarbeiten kann und daraus wohltuendes Essen, das uns und die Gäste nährt. Es geht hier ums Prana, die Lebensenergie. Klingt vielleicht verrückt, aber irgendwie sprechen die Zutaten und auch die Energie der Gäste mit mir und daraus entstehen die Kreationen, die auf dem Tisch landen. Aber wenn du schon so fragst: Sandwiches und Pasta gehen eigentlich immer. Meine Sandwiches sind übrigens „Hochstapler“: Sandwiches mit ganz vielen leckeren Toppings und Belägen. Und ganz viel Soße natürlich.
Auch privat seid ihr ein Team. Wie verändert die gemeinsame Arbeit eine Beziehung?
Jenny: (lacht) Man sagt, ein gemeinsamer Einkauf bei Ikea wäre die ultimative Beziehungsprobe… Versuch mal zwei Jahre auf neun Quadratmetern mit einem anderen Menschen und dazu drei (ehemaligen Straßen-)Hunden zu leben, dann weißt du, ob es funktioniert oder nicht. Wenn man auf so kleinem Raum zusammenlebt, lernt man schnell, seine Bedürfnisse zu kommunizieren, den anderen so zu nehmen, wie er ist und immer wieder aufeinander zuzugehen. Ich glaube, diese Erfahrung hat uns schon ordentlich zusammengeschweißt. Ich lerne durch unsere Beziehung immer wieder dankbar für all die Dinge im Hier und Jetzt zu sein und meine Erwartungen, wie etwas zu sein hat, loszulassen. Denn eines weiß ich mittlerweile: langweilig wird es mit uns beiden nie (lacht). Dazu kommt, dass wir beide große Träume haben und einfach nicht gern nur rumsitzen. Vielleicht mal einen Tag, aber dann haben wir Hummeln im Hintern und basteln schon am nächsten Projekt. Und egal welche Träume und Visionen mir so kommen, wenn ich mit Alex darüber spreche, werden sie noch bunter und lebendiger. Ob wir sie alle in diesem Leben umgesetzt bekommen? Vielleicht nicht, aber ich weiß, jeder Moment auf dem Weg ist mit Alex einfach schöner, bunter, aufregender. Also zurück zu der Frage wie die Arbeit hier unsere Beziehung verändert: Nicht viel, denn wir haben da einfach schon eine tolle Basis. Ich merke allerdings noch mehr, wie schön es ist, nicht mehr alles allein machen zu müssen. Wir ergänzen uns hervorragend und da ich die Introvertiertere von uns beiden bin, weiß ich es sehr zu schätzen, wenn Alex mal die Telefonate und Gespräche übernimmt, während ich im Hintergrund organisieren und wirken kann.
Alex: Wie ihr vielleicht schon mitbekommen habt, ist Jenny der Kopf und ich die Muskeln (lacht). Nein mal ehrlich. Ich habe unsere Beziehung von Anfang an als gemeinsamen Lern- und Wachstumsweg gesehen. Da macht es keinen Unterschied, ob wir gemeinsam arbeiten, leben, reisen oder auch mal streiten. Wir üben, probieren und lernen. Und das halt am liebsten zusammen. Ganz mit den Worten von Niedecken: „Was wir allein nicht schaffen, das schaffen wir dann zusammen.“ Außerdem wäre ich an einem Computer wohl der Supergau. Da bin ich dankbar, dass Jenny das übernimmt.
Habt ihr an euren freien Tagen noch Lust auf Yoga und vegane Küche?
Jenny: Auf Alex‘ Essen habe ich immer Lust. Allerding nutzen wir unsere freien Tage auch gern, um uns inspirieren zu lassen. Märkte, kreative vegane Restaurants oder einfach ein ausgiebiger Einkauf im Bioladen. Manchmal, wenn ich merke, dass Alex mal die Luft/Lust ausgeht, entführe ich ihn auch einfach zu einem neuen Restaurant oder so, wo wir uns wieder auftanken und neue Ideen bekommen. Was das Yoga angeht, durch Alex habe ich erst richtig verstanden, dass Yoga so viel mehr ist als nur „Geturne auf der Matte“. Klar, ich habe mich davor auch schon in meiner Yogalehrerausbildung damit beschäftigt. Alex ist sicherlich nicht der typische „Yogi“ und doch verkörpert er für mich so viel vom Yogaspirit ohne auf der Matte zu turnen – obwohl ich ihn ja gern noch zum Acro Yoga motivieren würde (lacht). Als wir uns kennenlernten, sagte ein gemeinsamer Freund, dass es doch gar nicht passen würde, da Alex doch kein Yogi sei. Meine Antwort? „Klar ist er das. Karma-Yogi“. Ich selber habe allerdings auch immer wieder Lust auf die Asana-Praxis, Mantra Singen, gemeinsam kleine Rituale feiern – ich sag nur Kakaozeremonie am Lagerfeuer zum Vollmond.
Alex: Klar, auf vegane Küche habe ich immer Lust. Ob ich nun von den großen „Meistern“ lerne, Neues probiere in den Restaurants oder Märkten oder mich selbst für Experimente an den Herd stelle. Im Zweifel auch einfach leckeres hausgemachtes Lemon-Pepper-Popcorn für den Filme- oder Spieleabend. Mein Yoga sieht aber wohl anders aus als bei anderen. Jenny sagt immer ich wäre Karma-Yogi. Was das genau heißt? Das überlasse ich jedem Einzelnen sich auszumalen. Ich kann mir vorstellen, dass ich während dem Jonglieren in ähnliche Bewusstseinszustände komme, wie andere beim Meditieren oder Yoga. Und genau das mache ich auch gern zum „Runterkommen“ und Entspannen.
Wo macht ihr am liebsten Yoga?
Jenny: Ich liebe die beiden Yogaräume im Mountain Retreat Center sehr und rolle da auch gern meine eigene Matte aus. Mit Aussicht auf die Berge, die grünen – oder auch schneebedeckten – Wiesen und Wälder und den oft blauen Himmel bringen mich immer schnell zur Ruhe.
Alex: In der Küche (lacht).
Besuchen Sie Jenny und Alex im Mountain Retreat Center: Spüren Sie den Spirit unseres Hauses in den bayrischen Alpen, rollen Sie die Yogamatte aus und lassen Sie sich von Alex‘ Kochkünsten inspirieren beim „Yogaurlaub in den Bergen“.
Das Interview führte Petra Humer
Hier geht’s zu unserem Kochkurs mit Alex „Vegan Kochen lernen & Yoga“